Betriebsübernahme und Arbeitsvertrag: Rechtlich sicher bei der Unternehmensnachfolge
Wenn ein Betrieb den Inhaber wechselt, ist das für alle Beteiligten ein rechtlich und logistisch komplizierter Vorgang. Für die Arbeitnehmer bedeutet eine Betriebsübernahme, dass sie einen neuen Arbeitgeber bekommen; entsprechend naheliegend ist die Frage, was bei der bevorstehenden Betriebsübernahme eigentlich mit dem Arbeitsvertrag eines Mitarbeiters passiert, da dieser ja noch mit dem alten Arbeitgeber geschlossen wurde: Bleibt er gültig, ändern sich die Konditionen, muss gar ein neuer Vertrag aufgesetzt werden?
Der Gesetzgeber bezieht hier eindeutig Stellung: Bestehende Arbeitsverträge laufen automatisch zu denselben Konditionen (Lohn, Urlaubstage, etc.) weiter. Eine Kündigung mit dem Anlass “Betriebsübergang” ist somit rechtsunwirksam. Das Kündigungsrecht aus anderen Gründen (personenbezogen oder betriebsbedingt) bleibt allerdings unberührt – hier muss in Einzelfällen ein Anwalt für Arbeitsrecht konsultiert werden.
Hinweis: Rund um das Thema Betriebsüberahme herrscht manchmal Begriffsverwirrung. Daher: “Betriebsübernahme” ist synonym für“Betriebsübergang” und “Unternehmensnachfolge”!
Betriebsübergang: Mitarbeiter müssen mitgenommen werden
Grundsätzlich gilt nach § 613a BGB, dass Mitarbeiter bei einem Betriebsübergang automatisch mitgenommen werden. Der neue Inhaber übernimmt damit auch die in den Arbeitsverträgen festgelegten Rechte und Pflichten, dazu zählen neben Lohn und Urlaub auch:
- besondere Urlaubsvereinbarungen
- übertarifliche Bezahlung
- Lohnschulden und Gehaltsschulden der letzten 12 Monate
- Pensionszusagen im Rahmen einer Kündigung auch nach der Übernahme
- Abfindungen im Rahmen einer Kündigung auch nach der Übernahme
Dem neuen Arbeitsgeber steht es frei, neue Arbeitsverträge anzubieten. Darin enthaltene Regelungen dürfen allerdings die Mitarbeiter nicht benachteiligen.
Arbeitnehmer haben bei bevorstehendem Betriebsübergang Widerspruchsrecht
Arbeitnehmer haben das Recht, der automatischen Übernahme ihres Arbeitsvertrages zu widersprechen. Hierfür gibt es allerdings eine Frist von einem Monat ab dem Zeitpunkt, an dem sie über die bevorstehende Betriebsübernahme informiert werden. Arbeitnehmer sind niemals dazu verpflichtet, einen neuen Vertrag oder eine Vereinbarung zu unterzeichnen, weder vom Betriebsveräußernden noch vom Betriebserwerber. Möchte ein Arbeitnehmer seinen bestehenden Arbeitsvertrag fortführen, ist der neue Inhaber in der Pflicht, diesen zu honorieren.
Allerdings: Einem Betriebsübergang zu widersprechen ist nur selten im Interesse des Arbeitnehmers. Sie sollten sich vor dem Widerspruch in jedem Fall Rechtsberatung einholen.
Gibt es Sonderfälle, wenn eine Unternehmensnachfolge ansteht?
Bei einer Unternehmensnachfolge sind grundsätzlich alle Arbeitnehmer durch die Arbeitnehmerschutzvorschrift § 613 a geschützt, die in einem Arbeitsverhältnis mit dem scheidenden Arbeitgeber stehen. Ausnahmen bilden dabei zum Beispiel Selbstständige und auf Honorarbasis arbeitende freie Mitarbeiter.
Übernommen werden müssen:
- Auszubildende
- Leitende Angestellte
- Beschäftigte in Teilzeit
- Beschäftigte mit befristetem Arbeitsvertrag
- Angestellte, deren Arbeitsverhältnis ruht (zum Beispiel durch Elternzeit)
Betriebsübergang: neuer Arbeitsvertrag während Probezeit
Der Kündigungsschutz umfasst auch Mitarbeiter, die sich in der Probezeit befinden. Das bedeutet, dass der neue oder alte Arbeitgeber den Betriebsübergang nicht als Kündigungsgrund angeben darf, selbst wenn sich der Arbeitnehmer in Probezeit befindet. Der Arbeitgeber kann nach wie vor unter Angabe personen- oder betriebsbedingter Gründe das Arbeitsverhältnis aufkündigen.
Betriebsübergang: neuer Arbeitsvertrag nach 1 Jahr?
Weil Arbeitnehmer das Recht haben, ihre Arbeitsverträge im Zuge eines Betriebsübergangs fortzuführen, müssen sie einen neuen Arbeitsvertrag, der vom neuen Inhaber aufgesetzt wird, nicht unterzeichnen. Manche Betriebserwerber versuchen, arbeitsvertragliche oder andere individualrechtliche Ansprüche zu verändern – nach einer einjährigen Veränderungssperre (§ 613a Abs. 1 Satz 2 BGB). Diese Sperre gilt aber nur für kollektive Regelungen, nicht für individuelle! Dass ein neuer Arbeitgeber ein Jahr warten muss, bevor er individuelle Regelungen verändert, ist ein Mythos. Er kann Änderungen jederzeit im Rahmen einer Änderungskündigung durchführen – wofür er allerdings das Einvernehmen des Arbeitsgebers benötigt. Rechtlich ist dies nur selten durchsetzbar und in der Praxis kaum zu finden.
Betriebsübergang während Kurzarbeit
Vor allem im Zuge der Corona-Krise meldeten viele Unternehmen Kurzarbeit an. Was ist, wenn in dieser Phase ein Betriebsübergang stattfindet? Die Kurzarbeitsregelung hat keinen Einfluss auf die Rechte, die Arbeitnehmer nach § 613a BGB genießen. Der neue Arbeitgeber muss die Mitarbeiter weiter beschäftigen, sofern diese nicht widersprechen – auch, wenn sich diese in Kurzarbeit befinden.
Wann müssen Arbeitnehmer über einen bevorstehenden Betriebsübergang informiert werden?
Arbeitsgeber müssen ihre Mitarbeiter nach § 613a Abs. 5 BGB rechtzeitig und umfassend über die geplante Übernahme informieren. Dazu gehören rechtliche, soziale und wirtschaftliche Folgen des Inhaberwechsels, der genaue Zeitpunkt für den Übergang sowie alle mit der Übernahme zusammenhängenden innerbetrieblichen Maßnahmen. Der Betriebserwerber kann diese Informationspflicht übernehmen und somit schon vor dem eigentlichen Zeitpunkt der Betriebsübernahme quasi als neuer Arbeitgeber auftreten.
Was passiert, wenn ich als Arbeitnehmer einem Betriebsübergang widerspreche?
Ein Betriebsübergang kann einen Mitarbeiter nicht dazu zwingen, den Arbeitsgeber zu wechseln. Zwar hat ein Mitarbeiter keine Entscheidungsgewalt über die Übernahme an sich – kann also nicht verhindern, dass der Betriebsinhaber wechselt – genießt aber das Recht, dem Übergang des Arbeitsverhältnisses zu widersprechen.
Widerspricht ein Arbeitnehmer diesem Übergang, geht dabei üblicherweise der Arbeitsplatz im Zuge der Betriebsübernahme verloren. Dann hat der neue Arbeitgeber das Recht, eine betriebsbedingte Kündigung auszusprechen. Für die meisten Arbeitnehmer gilt bei einer bevorstehenden Unternehmensnachfolge, folgende Optionen abzuwägen:
- Setze ich mein bestehendes Arbeitsverhältnis automatisch fort? § 613a BGB gibt mir das Recht, meinen Arbeitsvertrag 1:1 auf den neuen Arbeitgeber zu übertragen.
- Wenn mir der neue Arbeitgeber einen neuen Vertrag oder spezielle Betriebsvereinbarungen anbietet: Gehe ich darauf ein? Laut Gesetz darf mich der neue Arbeitgeber dadurch nicht benachteiligen. Bei einem Betriebsübergang muss ich einen neuen Arbeitsvertrag nicht unterschreiben.
- Widerspreche ich dem Betriebsübergang? In diesem Fall muss ich davon ausgehen, dass mir betriebsbedingt gekündigt wird.
Gibt es im Unternehmen einen Betriebsrat, ist es ebenfalls eine gute Idee, sich mit diesem abzusprechen bzw. zu beraten. Ihre individuellen Interessen können Sie allerdings am besten mit einer professionellen Rechtsberatung für Arbeitsrecht vertreten.
Welche Kündigungsfrist haben Arbeitnehmer nach Betriebsübergang?
Weil bei einer Betriebsübernahme alle bestehenden Arbeitsverträge vom neuen Arbeitgeber übernommen worden, gelten auch die darin festgelegten Kündigungsfristen. Ein bevorstehender Betriebsübergang hat an sich keine Auswirkungen auf bestehende Kündigungsfristen. Eine Ausnahme bilden bestimmte, meist branchenabhängige Tarifverträge. Gelten für einen Arbeitnehmer keine speziellen tarifvertraglichen Kündigungsfristen, dann gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 622 BGB. Demnach kann dann ein Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag mit einer Frist von vier Wochen zum fünfzehnten oder zum Ende des Monats kündigen. Verlängerte Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB gelten übrigens nur für die Kündigungen durch den Arbeitgeber.
Betriebsübergang naht? Professionelle Rechtsberatung bei Ihrem Anwalt für Arbeitsrecht
Betriebsübergänge gehen nur selten vollkommen reibungslos über die Bühne. Verkauft der Arbeitgeber seinen Betrieb, ist das für die Mitarbeiter ein meist einschneidendes Ereignis. In der Folge fürchten Arbeitnehmer um ihren Job, denn durch eine Betriebsübernahme finden oftmals im Zuge von Gewinnoptimierung bestimmte Umstrukturierungen und Rationalisierungsmaßnahmen statt, an deren Ende der Abbau von Arbeitsplätzen steht.
Entsprechend ist es bei vielen Betriebsübergängen – auch bei Übernahmen einzelner Betriebsteile – angemessen, sich rechtlichen Beistand zu suchen. § 613a BGB schützt Arbeitnehmer zwar im besonderen Maße, aber nicht jeder Arbeitnehmer kann sich allein so durch den Betriebsübergang navigieren, dass seine Interessen durchgesetzt werden.
Mit Ihrem Anwalt für Arbeitsrecht sind Sie im Falle eines Betriebsüberganges nicht auf sich allein gestellt. Wir kümmern uns darum, dass Sie bei Ihrer bevorstehenden Unternehmensnachfolge nicht den Kürzeren ziehen, sondern eine starke Position vertreten. Wir freuen uns auf Ihre Anfrage!
Über den Autor
Livia Merla ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht in Berlin und geschäftsführende Partnerin der Kanzlei MGP Merla Ganschow & Partner mbB Steuerberater Rechtsanwalt in Berlin Charlottenburg.